Masterplanning: Stadtreparatur durch Rückbau – Regeneration urbaner Qualität
In diesem Artikel zeigt Yvonne von Salm, Projektleiterin für das Projekt Wuppertal Döppersberg, das Potenzial für neue urbane Qualität auf, das in so manch einer Stadtplanungssünde aus den siebziger Jahren in deutschen Städten verborgen ist und durch sensiblen Rückbau wieder freigelegt werden kann.
Im 19. Jahrhundert räumte der Bautypus der Passage, Arkade oder Galerie dem Passanten, dem Fußgänger, dem Flaneur seine angestammten Rechte und seinen Raum ein. Stets waren diese Strukturen und Plätze verschiedenster Art mit wichtigen Gebäuden verbunden und wurden somit zu Protagonisten einer Re-Organisation des öffentlichen Raums und zum untrüglichen Symptom für städtisches Leben.
Der Platz als Agora, Forum oder Marktplatz wird im Städtebau stets als freier Raum mit verschiedensten Aufgaben verstanden. Von alters her wurden Plätze bewusst in Gemeinschaft mit oder in der Nachbarschaft von öffentlichen Bauten angelegt: vor Tempeln, Kirchen, Rathäusern oder Regierungssitzen, wie z.B. der Petersplatz in Rom, der Rote Platz in Moskau, der Marienplatz in München, die Piazza del Duomo in Mailand oder der Bahnhofsplatz in Wuppertal. Sie waren und bleiben Freiraum für den urbanen Bürger.
Mit verheerender brachialer Gewalt hat der zweite Weltkrieg Wunden und Schneisen in die über Jahrhunderte gewachsenen Stadtlandschaften gerissen und vielfältig die zum urbanen Kulturgut herangereiften Stadträume zerstört.
Die Nachkriegsjahre waren zunächst vom Aufräumen und Wiederaufbau in kleinerem Stil geprägt. Die menschlichen Grundbedürfnisse dominierten die Ansprüche. Erst die Aus-wirkungen der Wirtschaftswunderjahre weiteten nicht nur den Blickwinkel, sondern auch die Spannweite der Bedürfnisse aus.
Das 20. Jahrhundert entpuppte sich als Jahrhundert des Automobils. Das Automobil hat den Verkehr völlig verändert und brutal neue Stadtgrundrisse gefordert. Architekten und Stadtplaner wurden verführt, beim Wiederaufbau der kriegszerstörten Städte neuen Verkehrsbahnen die Vorfahrt zu lassen und den Ideologien der autogerechten Stadt zu folgen. Verkehrs- und wiederum die Stadtplaner übersetzten diese Ideen in einen verkehrs-technischen Funktionalismus. Das Leitbild der autogerechten Stadt wurde zum Konsens, der Passant zur Randfigur gedemütigt.
Diese Ära hat ein weithin noch existentes bauliches Erbe bar jeder Baukultur hinterlassen wie beispielsweise so manch einen zum Parkplatz degradierten ehemaligen Stadtplatz unter Düsseldorfs Hochstraßen oder auch eklatante Verkehrsbarrieren mitten durch Städte , wie die Berliner Allee in Düsseldorf oder die B7 mitten durchs Wupper-Tal, die einen zusammenhängenden Stadtgrundsriss unmöglich machen
Heute im 21. Jahrhundert bilden die städtebaulichen Reparaturen, weithin als Jahrhundertprojekte bezeichnet, durch Rückbau von Stadtautobahnen, Hochstraßen, Bahntrassen, Megakreuzungen und Verkehrsverteilern einen wesentlichen Schlüssel zur Rückgewinnung von Bürger-/Passanten-nahen Stadträumen und von wiedergewonnener urbaner Qualität.
Stadtreparatur durch Rückbau erfordert jeweils stadtbezogen individuelle Lösungen, gemeinsam ist ihnen jedoch die Rückbesinnung auf die vielfältigen Funktionen von Straßen, Alleen und Plätzen als urbane Lebensräume mit Bezug auf den alten Stadtgrundriss, jedoch mit zulässiger Interpretation und Anwendung moderner, stadtbaulicher Erkenntnisse.
Beispielhaft werden angeführt:
Düsseldorf
- Die B1 wird statt oberirdisch zwischen Rhein und Altstadt unterirdisch im Tunnel geführt.
- Der Stadtraum erweitert sich wieder zur Rheinpromenade.
- Die Hochstraße, der sogenannte „Tausendfüßler“, über Hofgarten, Schadowstraße, Immermannstraße und Berliner Allee wird trotz Denkmalschutz abgerissen und identisch unter Flur im Tunnel geführt. Oberirdisch entstehen regenerierte Plätze, Promenade, Fußgängerzonen und urbane Erlebnisbereiche.
-Schadowplatz:
Aus Bus- und Straßenbahn-Bahnhof entwickelte sich der wiederbelebte und erneuerte Schadowplatz und ein multifunktionales Gebäudeensemble mit städtebaulicher Durchlässigkeit und vielfältigen Erlebniszonen am alten Kö-Graben längs des Hofgartens.
Wuppertal
- Jahrzehntelang fehlgeschlagene Entwicklungskonzepte erzwangen letztlich die Stadtreparatur des Döppersbergs mit Rückbau von Busbahnhof und Parkplätzen und insbesondere der Tieferlegung der B7. Der Bahnhofsplatz wird so revitalisiert und verbindet den historischen Bahnhof mit der City in urbaner Maßstäblichkeit.
CITY PLAZA WUPPERTAL: http://www.chapmantaylor.com/en/projects/detail/doeppersberg-department-store/en/
Über die Autorin
Yvonne von Salm
Projektleiterin, Düsseldorf
Dipl.-Ing. Architektin
Von 1977 bis 1997 war Yvonne von Salm als Planungsleiterin bei Walter Brune Architekten in Düsseldorf u.a. verantwortlich für die Planung und Realisierung von Projekten wie dem Klemensviertel Düsseldorf, dem Hotel Bredeney Essen, der Kö-Galerie sowie den Schadow Arkaden in Düsseldorf.
Seit der Übernahme des Büros Walter Brune Architekten durch Chapman Taylor in 1997 hat sie eine Vielzahl von Projekten erfolgreich betreut und umgesetzt, wie u.a. das CityPalais Duisburg, das Forum Duisburg, die Neumarkt Galerie in Köln und aktuell das City Plaza in Wuppertal.
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