Deutschland: Der Architekt als Generalplaner
Deutschland: Der Architekt als Generalplaner
Die Rolle des Generalplaners gewinnt vor allem in Deutschland zunehmend an Bedeutung. In diesem Artikel erörtert Ruprecht Melder, Geschäftsführer von Chapman Taylor in Düsseldorf, die Vorteile der Beauftragung eines Generalplaners im Vergleich zu der klassischen Einzelbeauftragung von Planern.
Eine Alternative zur klassischen Projektorganisation mit den unterschiedlichen Auftragsverhältnissen ist die Generalplanung. Die Generalplanung bietet dem Bauherrn die Möglichkeit den Ablauf der immer komplexer werdenden Bauvorhaben zu vereinfachen. Der Generalplaner liefert die üblichen für ein Projekt notwendigen Planungsleistungen und übernimmt somit die Gesamtverantwortung der Planung.
Der Architekt als Generalist
Das Berufsbild des Architekten hat sich im Laufe der Zeit stetig verändert.
Im antiken Rom erkannte Vitruv, dass der Architekt umfangreiche allgemeine und fachliche Kenntnisse für komplexe Bauvorhaben benötigt. Darüber hinaus müsse der Architekt dem Bauherrn das Aussehen des geplanten Gebäudes zeichnerisch darstellen, die Mathematik beherrschen und einen Überblick der Gesamtkosten geben. Der Architekt wurde zum Generalisten, er war Entwerfer, Ingenieur, Bauleiter, Schriftsteller und Wissenschaftler zugleich.
Im Mittelalter verschwand das klassische Berufsbild des Architekten. Erst in der Renaissance und im Barock gewann der Beruf des Architekten wieder an Bedeutung. In dieser Zeit war der Architekt Gestalter und Ingenieur zugleich. Bis zum Ende des 18. Jahrhundert wurden die Aufgaben des Architekten und Ingenieurs nicht getrennt betrachtet.
Erst mit der Entwicklung von neuen Materialien und den damit verbundenen neuen Konstruktionsaufgaben, z.B. Stahlbau, kam es zu einer Trennung zwischen Gestaltung und Ingenieurbau.
Im 19. Jahrhundert führte die Industrialisierung zu einem schnellen ökonomischen Wachstum und zu einem rasanten technischen Fortschritt. Es kam in dieser Zeit zu einer enormen Entwicklung der Baustofftechnologie, zusätzlich erhöhte sich das Aufgabengebiet der Planung, da neue Gebäudetypen (wie Geschosswohnungen, Feuerwachen, Schulen etc.) gebaut wurden. Die Ausbildung des Architekten als eigene akademische Disziplin entstand. Die akademischen Architekten spezialisierten sich vorrangig auf den Entwurf von Gebäuden.
Trotz der unterschiedlichen Aufgabenbereiche, welcher der Architekt im Lauf der Geschichte abdecken musste, war der Architekt für den Bauherrn einer der wenigen Ansprechpartner, welcher für die planerische Umsetzung von Bauvorhaben verantwortlich war.
Dies hat sich allerdings in der jüngeren Vergangenheit geändert.
Die technische Komplexität und die gesetzlichen Anforderungen bei Bauvorhaben nahmen im 20. Jahrhundert kontinuierlich zu, so dass insbesondere in den letzten 40 Jahren viele neue Fachplanungsbereiche entstanden, welche für die Umsetzung erforderlich wurden.
Die Aufgaben des ursprünglich generalistischen Berufs des Architekten wurden nun teilweise von spezialisierten Fachplanern übernommen.
Der Bauherr und die Planungsbeteiligten
Für die Umsetzung von Bauvorhaben benötigt der Bauherr vereinfacht dargestellt drei verschiedene Gruppen von Auftragnehmern: den Objektplaner, den Fachplaner und die einzelnen ausführenden Firmen.
Der Bauherr hat die Aufgabe seine Auftragnehmer rechtzeitig zu beauftragen und sich inhaltlich mit diesen abzustimmen.
Diese klassische Aufgabenverteilung ist nach wie vor bei kleineren Bauvorhaben weit verbreitet. Bei Großprojekte wurde diese Aufgabenverteilung zunehmend aufgegeben. Die zusätzlichen Planungsbeteiligten führten dazu, dass der Bauherr einer nun größeren Anzahl von Vertragspartner gegenüberstand.
Durch die komplexeren Planungsabläufe der Planungsbeteiligte wurde es für den Bauherrn zunehmend schwieriger einerseits bauherrnrelevante Entscheidungen fristgerecht zu treffen und anderseits Schnittstellen und Haftungsfragen unter den Planern zu klären.
Es wurden unterschiedliche Konzepte entwickelt, welche den Bauherrn entlasten sollen.
Der Projektsteurer, zum Beispiel, wird beauftragt um Aufgaben des Bauherrn, wie das Aufstellen und Überwachen von Organisation-, Termin- und Zahlungsplänen, zu übernehmen und ihn in seinen Tätigkeiten zu unterstützen.
Das Hinzuziehen des Projektsteuerers hat den Vorteil, dass der Bauherr in seinen Tätigkeiten wieder entlastet wird, jedoch löst der Projektsteuerer nicht das Problem der Koordination der einzelnen Fachplanern und den damit verbundenen Schnittstellen und Haftungsrisiken.
Dieses Problem löst das Konzept des Generalplaners, welches die klassische Projektorganisation mit den Einzelbeauftragungen der Planungsleistungen ablöst.
Der Generalplaner liefert die gesamten für ein Projekt notwendigen Planungsleistungen, ist für den Bauherrn der einzige Vertragspartner im Bereich der Planung und übernimmt somit die Gesamtverantwortung der Planung.
Bei Bauleistungen erfolgt eine Vereinfachung der Einzelbeauftragungen durch die Beauftragung eines Generalunternehmers, welcher ähnlich wie der Generalplaner für die Umsetzung aller für das Projekt notwendigen Bauleistungen verantwortlich ist.
Das Konzept des Totalübernehmers hingegen sieht vor, dass der Bauherr sowohl für die Planungsleistungen als auch für die Bauleistungen nicht mehr in der Verantwortung steht. Diese werden auf den Totalübernehmer übertragen.
In vielen Ländern hat sich dieses Konzept etabliert. In Deutschland hat sich das Modell des Totalübernehmers nur bei Bauvorhaben bewährt, in welchen die vertraglich geschuldeten Leistungen nach Vertragsabschluss nicht mehr geändert wurden.
Die Übertragung der Planungshoheit und der planerischen Kontrolle auf den Totalübernehmer birgt zudem das Risiko von qualitativen Einbußen und, insbesondere bei Änderungen, von erheblichen Mehrkosten.
Die Generalplanung
Die Generalplanung deckt in der Regel die klassischen Planungsbereiche, wie Objektplanung, Tragwerksplanung, Haustechnik, Bauphysik, Verkehrsplanung, Brandschutz, und Landschaftsarchitektur ab.
In der Regel nimmt der Objektplaner die Rolle des Generalplaners ein und beauftragt die Fachplaner als Subplaner. Die Gründe dafür liegen vor allem darin, dass der Objektplaner für die planerische Koordination der Fachplaner verantwortlich ist und die Objektplanung den größten Teil der Gesamtplanung einnimmt
Der Generalplaner übernimmt im Innenverhältnis vielfältige Koordinationsaufgaben, sowie Steuerungs- und Überwachungsleistungen für die Leistungen seiner Fachplaner.
Er trägt nach außen die Verantwortung aller ihm übertragenen Leistungen, insbesondere für Planung, Termine und Kosten.
Vorteile der Generalplanung
Der Bauherr hat bei der Beauftragung einer Generalplanung nur einen Vertragspartner, somit entfällt der zeitliche und administrative Aufwand von Einzelbeauftragungen der einzelnen Fachplaner. Die Bündelung der Planungsbereiche führt zudem dazu, dass der Bauherr nicht mehr in dem zeitintensiven Prozess der einzelnen Teilabstimmungen involviert ist. Der Bauherr muss nicht mehr den Sachverstand aufbringen, um Entscheidungen in einzelnen Planungsbereichen zu treffen.
Bei Einzelbeauftragungen führen oft Lücken der einzelnen planerischen Schnittstellen zu kostenintensiven Nachträgen während der Planung und der Bauphase. Der Generalplaner hingegen deckt im Zuge der Gesamtbeauftragung der Planung alle Schnittstellen ab.
Der Generalplaner übernimmt die Haftung der einzelnen Planungsleistungen und gewährleistet dem Bauherrn die Richtigkeit der einzelnen Planungen. Die zeitintensive Klärung des Verursachers von Planungsfehlern entfällt, da der Generalplaner die alleinige Haftung aller Planungsfehler übernimmt.
In der Generalplanung erfolgt die planerische Abstimmung mit den Fachplanern interdisziplinär und wird zukünftig durch die gemeinschaftliche Planung an einem Gebäudemodell (BIM) weiter optimiert. Auf diese Weise werden die Planungen schneller und besser abgestimmt, so dass zeit- und kostenintensive Doppelbearbeitungen reduziert werden
Der Bauherr erhält durch den einfacheren Planungsprozess und das Minimieren von planerischen Schnittstellen zu einem recht frühen Zeitpunkt in dem Projekt Kostensicherheit.
Ein weiterer Vorteil einer Beauftragung eines Generalplaners ist, dass der Generalplaner sein Subplaner frei wählen kann und somit deutlich stärkeren Einfluss auf kann die Qualität der Gesamtplanung hat.
Nachteile der Generalplanung
Der Auftraggeber hat nur einen Vertragspartner für den Bereich Planung. Im Falle einer vorzeitigen Vertragsbeendigung, einer Insolvenz oder einer Kündigung muss der Bauherr unter Umständen das Projekt komplett neu besetzen, was zwangsläufig zu erheblichen zeitlichen und monetären Verlusten in dem Projekt führt.
Der Generalplaner erhält für seine zusätzlichen Koordinationsaufgaben und den erhöhten Haftungsrisiken eine zusätzliche Vergütung.
Der Bauherr ist nicht mehr in den Planungsprozessen mit den Fachplanern involviert, da diese Prozesse über den Generalplaner erfolgen. Die Steuerungsmöglichkeiten des Bauherrn sind somit geringer und somit wird der Planungsprozess für den Bauherrn etwas intransparenter.
Fazit
Meiner Meinung nach überwiegen die Vorteile einer Beauftragung eines Generalplaners, sowohl für den Bauherrn als auch für den Objektplaner.
Die Generalplanung hat für den Bauherrn deutliche Vorzüge gegenüber der klassischen Einzelbeauftragung, da durch die Gesamtverantwortung der Planung der Bauherr entlastet wird und die Abläufe der immer komplexer werdenden Bauvorhaben vereinfacht werden.
Insbesondere für ausländische Bauherren ist dieses Modell interessant, da der Bauherr nur noch einen Ansprechpartner für den Bereich Planung hat und sich nicht mit anderen Fachplanern sprachlich und inhaltlich auseinander setzen muss.
Für den Architekten hat diese Beauftragung u.a. den Vorteil, dass der Architekt wieder die klassische Rolle des Generalisten einnimmt und somit einen größeren Einfluss auf die Gesamtplanung hat. Diese Planungshoheit führt zu höherer Sicherheit der Kosten, der Termine und vor allem der Qualität.
In Deutschland gewinnt die Beauftragung eines Generalplaners zunehmend an Bedeutung, da insbesondere bei Großprojekten der klassische Bauherr durch Investoren, wie Versicherungen und Banken, abgelöst wird. Diese Investoren betreuen meistens eine Vielzahl von Projekten und benötigen für die Abwicklung der Projekte vereinfachte Planungsabläufe.
Die rasante Entwicklung des „Building Information Modeling (BIM)“ verstärkt zudem den Trend der Beauftragung eines Generalplaners, da dieser zukünftig dem Bauherrn als Gesamtplanung ein interdisziplinäres Gesamtmodell liefern kann.